Nina Rubinstein (1908–1996)

Nina Rubinstein wurde 1908 als Tochter balto-russisch-jüdischer Exilanten, die aus dem Zarenreich geflohen waren, in Berlin geboren und wuchs dort zweisprachig (Deutsch, Russisch) auf. Nach der Trennung der Eltern, die beide überzeugte Sozialisten waren, verbrachte sie einige Kindheitsjahre in Kopenhagen, Sankt Petersburg und Lettland, bevor sie mit ihrer Mutter 1918 nach Berlin zurückkehrte. Nach dem Abitur 1928 begann Rubinstein zunächst mit dem Studium der Soziologie in Heidelberg und wechselte später nach Frankfurt. Schon früh stand fest, dass sie sich mit den politischen Emigranten als „Sondertypen des Fremden“ auseinandersetzen wollte, woraus schließlich ihre Arbeit über Die französische Emigration nach 1789 entstand. Karl Mannheim, damals Professor für Soziologie an der Universität Frankfurt, war ihr Betreuer, musste aber als Jude 1933 selbst emigrieren. Rubinstein arbeitete in Paris als Übersetzerin und Feuilletonistin, aber sie konnte ihr Studium und ihre Promotion nicht wie geplant an der Sorbonne abschließen. Als die deutsche Wehrmacht 1940 Paris besetzte, musste Rubinstein abermals fliehen, diesmal nach New York. Das Manuskript ihrer Dissertation, das sie zunächst in Paris zurücklassen musste, fand unerwartet seinen Weg zu ihr zurück: Eine Nachbarin hatte es gerettet und verwahrt und schickte es Rubinstein nach Kriegsende per Post nach New York.

Nach dem Krieg blieb Nina Rubinstein in den Vereinigten Staaten, wo sie, die inzwischen fünf Sprachen beherrschte, als Dolmetscherin und Übersetzerin arbeitete, unter anderem für das US-Militär und die Vereinten Nationen. Zudem war sie als Fotografin tätig und richtete zahlreiche Ausstellungen aus. Sowohl ihre 1933 eingereichte Promotionsschrift als auch ihr weiteres Schaffen zeigen den

Einfluss Karl Mannheims. Mit Mannheim, der den Kreisen der links-liberalen ungarischen Intelligenz um Georg Lukàcs entstammte, war 1930 der Begründer einer neuen soziologischen Richtung nach Frankfurt berufen worden: der Wissenssoziologie, die nach den gesellschaftlichen Bedingungen und sozialen Interessen der Personen fragte. Dies ist auch der leitende Ansatz in Rubinsteins Untersuchung.

Die Goethe-Universität hat Nina Rubinstein 1989 auf der Grundlage ihrer 1933 eingereichten Arbeit zur Doktorin der Philosophie promoviert – in Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistung und als in dem späten Bestreben, Gerechtigkeit wiederherzustellen. Sieben Jahre später, im September 1996, starb Rubinstein in New York. Die Benennung des Weges zwischen dem I.G. Farben- und dem Casino-Gebäude nach Nina Rubinstein ist mehr als eine persönliche Ehrung der promovierten Soziologin und Fotografin. Sie bringt auch die Anteilnahme der Goethe-Universität am Schicksal ihrer während der NS-Zeit verfolgten und vertriebenen jüdischen Universitätsangehörigen zum Ausdruck.

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