Burnout: soziale Anerkennung am Arbeitsplatz reduziert das Risiko

Befragung von 900 Supervisoren belegt: Gesundheitsfürsorge tut Not

Veröffentlicht am: Donnerstag, 29. März 2012, 11:44 Uhr (006)

Der beste Schutz vor dem Burnout ist eine leistungsgerechte Belohnung. „Das bedeutet allerdings mehr als nur angemessene Bezahlung, wichtig ist vor allem die soziale Anerkennung, die Menschen für ihren Arbeitseinsatz erhalten“, konstatiert der Frankfurter Sozialpsychologe Prof. Rolf Haubl in einer jetzt veröffentlichten Studie der Goethe-Universität, des Sigmund-Freud-Instituts und der Technischen Universität Chemnitz.

Datengrundlage ist die Befragung von fast 900 Supervisoren der Deutschen Gesellschaft für Supervision, die seit Jahren überwiegend Profit- und Non-Profit-Organisationen im sozialen Bereich wie Krankenhäuser, Schulen, Kinder- und Jugendhilfe beraten. Diese Experten bestätigten: Über alle Branchen hinweg sind die Arbeitsbedingungen so hoch, dass viele Beschäftigte ihre psychische Gesundheit riskieren. Von Entwarnung kann keine Rede sein. Dazu eine Supervisorin: „… als ich da hinkam, hatte die Leitungskraft 600 Überstunden. Und alles, was unter 100 war, bedeutet irgendwie, die arbeiten nicht richtig.“

Zur Prävention rät die Studie: Arbeitgeber sollten in die Organisationskultur investieren. „Chefs, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktoren betrachten, sondern als eine Belegschaft mit produktiven Fähigkeiten, die sie nachhaltig zu entwickeln suchen, schützen ebenso vor überfordernden Arbeitsbedingungen, wie Kollegen, die sich halbwegs solidarisch verhalten“, erklärt Haubl, der an der Goethe-Universität lehrt und forscht und gleichzeitig auch das Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt leitet

Die immer wieder geäußerte Meinung, dass Mitarbeiter bei Überforderung mit wachsender Indifferenz reagieren, bestätigte sich nicht. Im Gegenteil: „Die Befragten trafen in den Organisationen in der überwiegenden Mehrzahl auf Beschäftigte, für die Arbeit – noch – eine Sinn stiftende Funktion hat und die deshalb darunter leiden, wenn sie aufgrund eines herrschenden ökonomischen Effizienzdrucks gezwungen sind, Qualitätsstandards zu verletzen“, erläutert Prof. Günter G. Voss aus Chemnitz, Professor für Industrie- und Techniksoziologie an der Technischen Universität Chemnitz.

In den meisten Organisationen hat in den vergangenen Jahren die Arbeitsintensität eindeutig zugenommen: Arbeitsprozesse werden verdichtet und beschleunigt, Nischen beseitigt; die Zahl der prekären und befristeten Arbeitsverhältnisse nimmt zu. Immer häufiger wird Arbeitnehmern außerdem zugemutet, einander widersprechende Anforderungen – wie die zwischen Professionalität und Kosteneinsparung – ohne betriebliche Unterstützung auszuhalten und abzufedern. „Und das führt entweder dazu, sehenden Auges die eigene Gesundheit zu riskieren, um Karrierevorteile zu erlangen, oder es demoralisiert“, so Haubl. „Sollen Arbeitsplätze keine Gesundheitsrisiken sein, wie es die Weltgesundheitsorganisation in der Charta von Ottawa verlangt, bedarf es eines Einstellungswandels, der heute vielerorts noch in weiter Ferne liegt.“

Die Supervisoren geben in der Studie nicht nur aussagekräftige Einschätzungen der turbulenten Veränderungen in der Arbeitswelt, sondern suchen mit Einzelpersonen und Teams auch nach konstruktiven Handlungsalternativen.

Informationen: Prof. Rolf Haubl, Professur für psychoanalytische Sozialpsychologie, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, haubl@soz.uni-frankfurt.de; Prof. Dr. Günter G. Voss, Professur für Industrie- und Techniksoziologie, Fachbereich Soziologie, guenter.voss@phil.tu-chemnitz.de

Download eines ersten Ergebnisberichtes: www.sfi-frankfurt.de/aktuelles.html; PDF hier.