Suche nach der Nadel im Molekülhaufen

Nano-Rezeptoren erkennen selektiv einzelne Moleküle

Veröffentlicht am: Mittwoch, 21. März 2012, 18:23 Uhr (004)

Hochsensitive Sensoren wie die menschliche Nase können bereits einzelne Moleküle eines Duftstoffes erkennen. Natürliche Vorbilder dieser Art haben ein Forscherteam der Technischen Universität München und des Instituts für Biochemie der Goethe Universität dazu inspiriert, solche hochempfindlichen und selektiven Systeme im Labor nachzuahmen. Das gelingt mithilfe von Nanoporen in einer dünnen Halbleitermembran. Sie sind so eng, dass nur einzelne Moleküle sie passieren können. In der Pore sitzt ein Rezeptor, der nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip spezifisch an das gesuchte Molekül bindet. Damit eröffnen sich vielfältige Anwendungen in der Nanodiagnostik, etwa die Analyse der Proteine in einer Körperzelle.

Wie die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“ berichten, bohrten sie die Nanoporen mithilfe eines Elektronenstrahls in eine dünne Halbleitermembran aus Siliziumnitrid (SiN). Der Öffnungsdurchmesser beträgt 25 Nanometer, entsprechend 1/4000 eines Haardurchmessers. Eine selbstorganisierende Schicht verhindert, dass die gesuchten Proteine zufällig an Unebenheiten haften bleiben. In dieser Schicht ist der Rezeptor aus mehreren Nitrilotriessigsäure-Molekülen verankert. Er kann Biomoleküle, die durch ein „Etikett“ aus sechs Aminosäuren gekennzeichnet sind, hochselektiv erkennen und binden.

Um das An- und Abbinden eines Moleküls in Echtzeit beobachten zu können, darf in jeder Pore nur ein einziger Rezeptor sein. Das ist nun erstmals mit einer künstlich hergestellten anorganischen Pore gelungen. In einem weiteren Schritt wendete das Forschertam das Verfahren auf die Antikörper-Immunerkennung an.

Mögliche Anwendungen könnten schwierige Probleme in der Proteomik sein, etwa die Analyse der Proteinzusammensetzung einer einzelnen Zelle. Ebenso könnte das System für das Screening von Pharmazeutika oder zur Detektion von Kampfmitteln dienen. „Die Zukunft bleibt spannend, da die Natur uns weiterhin in Selektivität und Spezifität voraus ist. Deshalb sind weitere Verbesserungen im Feld von sensorischen Systemen auf molekularer Ebene nötig“, erklärt Prof. Robert Tampé vom Institut für Biochemie. „Die Zusammenarbeit des Teams aus München und Frankfurt ist aber ein wichtiger Schritt in der Biosensorik und Nanodiagnostik auf Einzelmolekülebene.“

Publikation: Ruoshan Wei et. al.: Stochastic sensing of proteins with receptor-modified solid-state nanopores, Nature Nanotechnology, online erschienen am 11. März 2012, DOI: 10.1038/NNANO.2012.24

Bildtexte:
Bild 1: Detektion von Proteinen auf Einzelmolekülebene in künstlichen Rezeptor-modifizierten Silizium-Nanoporen.

Bild 2: Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie die Identität einzelner Proteine in einer künstlichen Nanopore festgestellt wird. Das in der Pore verankerte „Rezeptor-Protein“ (rot-braun) bindet vorübergehend einen IgG-Antikörper (hellbraun), der durch die Pore wandert. Die Dauer der Wechselwirkung kann über den veränderten Stromfluss gemessen werden. Sie gibt auch Auskunft über die biologische Funktion des Antikörpers. Die weißen Haare stellen eine selbstorganisierte Molekülschicht dar, die dazu dient, die Oberfläche des Goldfilms biologisch zu inaktivieren.

Bildrechte: Christoph Hohmann /NIM