Therapieplätze für Opfer sexueller Gewalt

Trauma-Ambulanz an der Goethe-Universität baut Angebot für Jugendliche und Erwachsene aus

Veröffentlicht am: Donnerstag, 06. Januar 2011, 00:03 Uhr ()

FRANKFURT. Etwa sechs Prozent der jungen Männer und 18 Prozent der jungen Frauen haben vor ihrem 16. Lebensjahr sexuelle Gewalterfahrungen gemacht, so schätzen Wissenschaftler. Ein großer Teil sexuell missbrauchter Menschen berichtet jedoch aus Scham oder Angst weder Familienangehörigen noch anderen Vertrauten von ihren Erfahrungen, wodurch die Dunkelziffer der Missbrauchsrate deutlich höher liegen dürfte. Um schwerwiegenden psychischen Langzeitstörungen entgegen zu wirken, empfehlen Trauma-Therapeuten, dass sich Betroffene möglichst frühzeitig in Behandlung begeben. An der Trauma-Ambulanz der Goethe-Universität erforschen Psychologen Behandlungsmöglichkeiten für jugendliche und erwachsene Patienten.

Beispiel 1: Im Rahmen eines speziellen Therapie-Ansatzes lernen Jugendliche, sich mit ihren Gedanken und Gefühlen im Zusammenhang mit sexueller Gewalterfahrung auseinander zu setzen; so fällt es ihnen leichter, das Erlebte zu verarbeiten. Um diesen Ansatz auf Basis der kognitiven Verhaltenstherapie bei Jugendlichen zu überprüfen, wird an der Trauma-Ambulanz der Goethe-Universität kurzfristig eine begrenzte Zahl an Therapieplätzen für Jugendliche vergeben, die unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung nach sexuellem Missbrauch leiden. Die Therapie findet im Verlauf von 25 Einzeltherapiesitzungen statt und wird von speziell ausgebildeten Psychologinnen durchgeführt.

Beispiel 2: Erwachsene, die in Kindheit und Jugend Opfer schwerer körperlicher und sexueller Gewalt geworden sind, können ihre Gefühle oft nicht regulieren: Sie leiden häufig unter Angst, Wut, Scham und Schuld und versuchen die negativen Gefühle durch erhöhten Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenkonsum, selbstverletzendes Verhalten oder Gedanken an den Tod zu bewältigen. Bislang war für Betroffene kaum ein passendes ambulantes Behandlungsangebot verfügbar. In der Trauma-Ambulanz Frankfurt werden nun in Kooperation mit dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim (ZI) zwei spezielle Behandlungskonzepte für Erwachsene mit schweren Trauma-Folgestörungen nach sexuellem Missbrauch angeboten: Die Dialektisch-Behaviorale Therapie für Posttraumatische Belastungsstörung (DBT-PTSD) und die Cognitive Processing Therapy (CPT). Beide Behandlungskonzepte wurden bereits wissenschaftlich überprüft und zeigen eine sehr gute Wirksamkeit und Verträglichkeit.

Sowohl in der Trauma-Ambulanz Frankfurt als auch in der Trauma-Ambulanz Mannheim stehen im Rahmen einer weiteren Überprüfung dieser Methoden nun eine begrenzte Anzahl ambulanter Therapieplätze bei speziell trainierten und geschulten Psychotherapeuten zur Verfügung. Beide Therapiekonzepte sind auf 24 Sitzungen mit durchschnittlich 90 Minuten Dauer begrenzt und werden innerhalb von neun Monaten durchgeführt. Der Erfolg der Behandlung wird zum Ende der Therapie überprüft.

Mit dem quälenden Gefühl des Beschmutzt-Seins, das viele weibliche Opfer sexuellen Missbrauchs quält, beschäftigen sich die Psychologen in einem dritten Behandlungsprogramm. Oft haben die Betroffenen das Gefühl, dass sich nach wie vor Spuren des Täters auf ihrer Haut oder in ihrem Körper befinden oder sie sich vor ihrem eigenen Körper ekeln. Diese Behandlung umfasst lediglich drei Sitzungen und kann außerhalb einer laufenden Therapie recht kurzfristig angeboten werden. Bisherige Studiendaten weisen auf eine sehr gute Wirksamkeit und Verträglichkeit der Methode hin.

Informationen: Trauma-Ambulanz der Goethe-Universität, Behandlungsprogramm zur Posttraumatischen Belastungsstörung nach sexuellem Missbrauch für Jugendliche: Simone Matulis, Tel. (069) 798-23974, matulis@psych.uni-frankfurt.de Behandlungsprogramm zur Posttraumatischen Belastungsstörung nach sexuellem Missbrauch für Erwachsene: Anne-Marie Korst, Tel. (069) 798-23844, korst@psych.uni-frankfurt.de Behandlung zum Gefühl des Beschmutztseins: Kerstin Jung, Tel. (069) 79825107, k.jung@psych.uni-frankfurt.d

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn drittmittelstärksten und größten Universitäten Deutschlands. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Parallel dazu erhält die Universität auch baulich ein neues Gesicht. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht ein neuer Campus, der ästhetische und funktionale Maßstäbe setzt. Die „Science City“ auf dem Riedberg vereint die naturwissenschaftlichen Fachbereiche in unmittelbarer Nachbarschaft zu zwei Max-Planck-Instituten. Mit über 55 Stiftungs- und Stiftungsgastprofes­suren nimmt die Goethe-Universität laut Stifterverband eine Führungsrolle ein.

Herausgeber Der Präsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Redaktion Ulrike Jaspers, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung Marketing und Kommunikation, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt am Main, Tel: (069) 798-23935, Fax: (069) 798-23266, jaspers@pvw.uni-frankfurt.de