Der Chemiker und Physiologe Prof. Dr. Tim R. Mosmann,
Direktor des David H. Smith-Zentrums für Impfbiologie und Immunologie am Medizinischen
Zentrum der Universität Rochester, USA, erhielt den mit insgesamt 100.000 Euro dotierten
Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2008 für seine herausragenden Beiträge auf
dem Gebiet der Immunologie. Dies beschloss der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung. In
der Begründung heißt es: „Die Forschungsarbeiten von Tim Mosmann haben zur Entdeckung
von zwei Subtypen von Helfer-T-Lymphozyten, den Th1- und Th2-Zellen, geführt und neue
Einblicke in den Krankheitsmechanismus von Infektionskrankheiten und Allergien
ermöglicht.“ Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis gehört zu den international
renommiertesten Auszeichnungen, die in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der
Medizin vergeben werden. Die Preisverleihung fand am 14. März 2008, dem Geburtstag von
Paul Ehrlich (1854-1915), in der Paulskirche in Frankfurt statt.
Das Th1-/Th2-Paradigma
Die körpereigene Immunabwehr formiert sich aus den weißen Blutkörperchen, den
Lymphozyten: Während die so genannten B-Lymphozyten die Antikörper bilden, werden die
T-Lymphozyten unterteilt in CD8+
-T-Zellen, die bei Virusabwehrreaktionen von Bedeutung
sind, und in CD4+
-T-Helferlymphozyten. Die T-Helferlymphozyten lassen sich in zwei
Gruppen, die Th1- und Th2-Zellen, unterscheiden. Sie können durch die Sekretion
unterschiedlicher Botenstoffe differenziert werden. Th1-Zellen sind in der Pathogenese von
Autoimmunerkrankungen wichtig, während Th2-Zellen zum Beispiel für die Entwicklung von
Allergien mitverantwortlich sind.
So bilden Th1-Zellen unter anderem die Botenstoffe Interleukin-2 (IL-2), Interferon-γ (IFN-γ)
und den Tumor Nekrose Faktor-α (TNF-α). Th2-Zellen synthetisieren IL-4, IL-5, IL-6, IL-10
und IL-13. Neben den seit 1986 unterschiedenen Th1- und Th2-Subtypen wird heute eine
Th17-Zelle beschrieben, die von einer zentralen Bedeutung bei Autoimmunerkrankungen zu
sein scheint.
Über die Freisetzung von IL-4 sind Th2-Zellen an der Ausbildung von Allergien beteiligt,
denn IL-4 stimuliert die Bildung der für Allergien charakteristischen IgE-Antikörper.
Gegenspieler des von Th2-Zellen gebildete IL-4 ist das von den Th1-Zellen synthetisierte
Interferon-γ, denn es unterdrückt die Freisetzung von IgE-Antikörpern. Es wird freigesetzt,
wenn ein Virus eine Zelle infiziert und verhindert, dass sich das Virus in den infizierten
Zellen vermehrt und weitere Zellen infiziert werden. Daher wird IFN-γ auch zur Behandlung
von bestimmten Viruserkrankungen, darunter Hepatitis B-Virusinfektionen, eingesetzt. IFN-γ
hat darüber hinaus eine weitere wichtige Funktion: Es stimuliert die Bildung von Th1-Zellen
und bewirkt dadurch eine Verschiebung des Gleichgewichts zwischen Th1- und Th2-Zellen
zugunsten der Th1-Zellen.
Nach diesem als Th1-/Th2-Paradigma bezeichneten Konzept, das Tim Mosmann 1986 auf
Basis seiner Arbeiten an der Maus entwickelt hat, entstehen Allergien als Folge eines
verschobenen Gleichgewichts von Th1- und Th2-Zellen (in Richtung Th2-Zellen).Welche
Faktoren an der Verschiebung beteiligt sind, ist derzeit Gegenstand intensiver
Forschungsarbeiten. IFN-γ und IL-4 sowie IL-10 gehören dabei zu den Hauptakteuren. „Tim
Mosmann hat mit seinen Arbeiten wesentlich dazu beigetragen zu verstehen, wie die
Immunabwehr bei Infektionskrankheiten, Autoimmunkrankheiten wie Allergien und
chronischen Entzündungskrankheiten wie der rheumatoiden Arthritis arbeitet“, würdigt
Prof. Dr. Drs. h.c. Joachim Kalden, Direktor emerit der Medizinischen Klinik 3,
Universitätsklinikum Erlangen, und Mitglied des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung, die
Verdienste von Tim Mosmann. „Die dabei gewonnen Erkenntnisse bilden die Grundlage für
die Entwicklung neuer Behandlungsoptionen.“
Kurzbiographie Tim Mosmann
Prof. Dr. Tim Mosmann wurde am 7. März 1949 in Birkenhead, Großbritannien, geboren,
studierte Chemie und Physiologie an der Universität von Natal in Südafrika sowie
Mikrobiologie an der Rhodes Universität in Südafrika. Er promovierte 1973 an der
Universität von British Columbia in Kanada. Danach war er zwei Jahre am
Kinderkrankenhaus in Toronto, Kanada, tätig, bevor er an die Universität Glasgow,
Großbritannien, wechselte. 1977 wurde er Assistenzprofessor an der Universität von Alberta
in Edmonton, Kanada. Fünf Jahre später wechselte Tim Mosmann an das DNAX
Forschungsinstitut nach Palo Alto in Kalifornien, USA, wo er bis 1990 tätig war. Dann wurde
er als Professor für Immunologie und später Immunologie und Mikrobiologie an die
Universität von Alberta berufen. Seit 1998 ist der Brite Professor für Immunologie und
Mikrobiologie an der Universität Rochester und Direktor des David H. Smith-Zentrums für
Impfbiologie und Immunologie.
Tim Mosmann ist Inhaber zahlreicher Patente, Mitglied verschiedener wissenschaftlicher
Fachgesellschaften, darunter Fellow der Royal Society in Kanada, sowie Preisträger
renommierter wissenschaftlicher Auszeichnungen wie dem William B. Coley Award des
amerikanischen Krebsforschungsinstituts (1997) sowie des Avery-Landsteiner-Preises der
Deutschen Gesellschaft für Immunologie (1994). Seit 2002 gehört er nach Angaben des
Instituts für Wissenschaftliche Information zudem zu den am meisten zitierten
Wissenschaftlern. Er war wissenschaftlicher Berater von Unternehmen wie Genzyme
Diagnostics und MedCell Biologics, Inc.