Die Chemikerin und Biochemikerin Prof. Dr. Ada Yonath, Direktorin
des Helen und Milton A. Kimmelman Zentrums für Biomolekulare Struktur und Komplexe
und Inhaberin des Martin S. und Helen Kimmel Lehrstuhls für Strukturbiologie am
Weizmann Institut der Wissenschaften in Rehovot, Israel, und der Biochemiker Prof. Dr.
Harry Noller, Direktor des Zentrums für molekulare Biologie der RNA und Inhaber der
Robert L. Sinsheimer Professur für Molekularbiologie, Universität von Kalifornien in Santa
Cruz, USA, erhielten den mit insgesamt 100.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig
Darmstaedter-Preis 2007 für ihre herausragenden Beiträge zur Aufklärung der
dreidimensionalen Struktur von Ribosomen – den komplexen Zellorganellen, an denen die
Proteinbiosynthese stattfindet. Dies beschloss der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung. In
der Begründung heißt es: „ Die Forschungsarbeiten von Ada Yonath und Harry Noller haben
zu wesentlichen Erkenntnissen zur Struktur und Funktion von Ribosomen geführt, die ein
neues Verständnis dieser makromolekularen Ribonukleinsäure-Protein-Komplexe ermöglicht
haben.“ Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis gehört zu den international
renommiertesten Auszeichnungen, die in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der
Medizin vergeben werden. Die Preisverleihung fand am 14. März 2007, dem Geburtstag von
Paul Ehrlich (1854-1915), in der Paulskirche in Frankfurt statt.
Ribosomen stehen seit Jahren im Mittelpunkt zahlreicher biochemischer, biophysikalischer
und genetischer Forschungsbestrebungen, denn sie sind für das Leben von essenzieller
Bedeutung: Sie sind die Zellorganellen, an denen die Proteinbiosynthese stattfindet.
Ribosomen bestehen aus Proteinen und verschiedenen RNA-Komponenten und sind aus zwei
Untereinheiten – einer großen und einer kleinen – zusammengesetzt. Wie eine Fabrik
empfangen sie genetisch kodierte Produktionspläne in Form von messenger-RNA aus dem
Zellkern, nach denen sie Aminosäure um Aminosäure so zusammenfügen, dass
funktionsfähige Proteine entstehen. Wird die Arbeit der Ribosomen gehemmt, stirbt die Zelle.
Daher ist das Verständnis der Proteinbiosynthese zentral für die Entschlüsselung des Lebens,
aber auch für das Verständnis der Entstehung von Krankheiten.
Ada Yonath entwickelte die Grundlagen für die Kristallisation von Ribosomen – und deren
ribosomale Untereinheiten – zusammen mit Professor Heinz-Günther Wittmann, Max Planck
Institut für Molekulare Genetik in Berlin. 1980 gelang es ihnen erstmals, ribosomale
Untereinheiten zu kristallisieren und in Zusammenarbeit mit dem Fritz-Haber-Institut der
Max Planck Gesellschaft in Berlin elektronenmikroskopisch zu charakterisieren. Im Fokus
ihrer Arbeit standen die beiden ribosomalen Untereinheiten von Eubakterien, die als
Modellorganismen für die verschiedenen Phasen der Proteinbiosynthese dienen. Im Jahr 2000
bestimmte Ada Yonath in Zusammenarbeit mit dem Team am Max Planck Institut für
Molekulare Genetik in Berlin mithilfe von röntgenkristallografischen Methoden die genaue
dreidimensionale Struktur und Architektur der kleinen und großen Untereinheit und ihrer mit
Antibiotika und anderen Faktoren verbundenen Komplexe. Dies ermöglichte neue
Erkenntnisse über den Katalyseprozess und den Weg der Proteinbiosynthese im Ribosom, der
zur Bildung funktionsfähiger Proteine führt.
Harry Noller und sein Team entschlüsselten als erste Forschungsgruppe weltweit die
vollständige Struktur eines Ribosoms des Bakteriums Thermus thermophilus. Darauf
aufbauende Arbeiten führten Details darüber zutage, wie ein Ribosom die genetische
Information in Form von messenger-RNA in die Synthese von Proteinen überführt.
Methode
Für ihre Forschungsarbeiten wendeten Ada Yonath und Harry Noller die
Röntgenkristallografie an, bei der Kristalle des untersuchten Materials hochintensiven
Röntgenstrahlen ausgesetzt werden. Anhand des dabei entstehenden Beugungsmusters,
konnten die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die exakte Struktur des Kristalls ziehen. Doch
das Ribosom ist ein instabiler, riesiger RNA-Protein-Komplex, der nur schwer kristallisierbar
ist und sich zudem im Vergleich zu anderem biologischen Untersuchungsmaterial wie zum
Beispiel Viren dadurch auszeichnet, dass es keine innere Symmetrie oder Wiederholungen
aufweist, die das Verständnis einer Struktur erleichtern. Mit innovativen kristallografischen
Techniken gelang es Ada Yonath und Heinz-Günther Wittmann dann 1980, ribosomale
Kristalle herzustellen, die sich allerdings als zu empfindlich für eine hochauflösende
Röntgenstrukturanalyse erwiesen. Deshalb führte Ada Yonath die Methode der CryoKristallografie – die Messungen erfolgen bei Temperaturen von -185° Celsius – ein und
etablierte sie. Die Wissenschaftlerin und ihr Team verwendeten so genannte „Schwere Atome
Cluster“ als Markierungen, die aufgrund ihrer hohen Elektronendichte wie Fähnchen aus der
ribosomalen Elektronendichtekarte herausstehen. Diese Markierungen erlauben eine exakte
Lagebestimmung bestimmter Funktionseinheiten innerhalb des Ribosoms. Das entstehende
Bild ermöglicht einen genaueren Einblick in die mikroskopische Welt des Ribosoms, indem
es besonders hervorstechende Eigenschaften deutlich macht.
Ein besseres Verständnis für die Funktionsweise der ribosomalen Proteinbiosynthese könnte
zur Entwicklung einer neuen Generation von Antibiotika führen, die Bakterien auf der Ebene
der Ribosomen angreifen können.
Kurzbiographie Ada Yonath
Prof. Dr. Ada Yonath wurde am 22. Juni 1939 in Jerusalem geboren, studierte Chemie und
Biochemie an der dortigen Hebräischen Universität und promovierte 1968 am Weizmann
Institut der Wissenschaften in Rehovot, Israel. Nach Aufenthalten in den USA kehrte sie 1970
an das Weizmann Institut der Wissenschaften zurück und baute dort das erste Laboratorium
für Proteinkristallografie in Israel auf, das durch die Röntgenkristall-Strukturuntersuchungen
an Ribosomen weltberühmt wurde. Von 1979 bis 2004 arbeitete sie eng mit dem Max Planck
Institut für Molekulare Genetik in Berlin zusammen. Von 1986 bis 2004 war sie zusätzlich zu
ihrer Tätigkeit am Weizmann Institut der Wissenschaften auch Leiterin der Forschungsgruppe
für Molekularbiologie des Max-Planck-Instituts am DESY (Deutsches Elektronen
Synchrotron) in Hamburg. Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter
2007 den Wolf Award in Chemie, 2006 den Rothschild Preis für Life Sciences, 2005 den
Luiza Horwitz Preis, 2004 den Massry-Preis für Ribosomen-Forschung (gemeinsam mit
Harry Noller), 2002 den Israel Preis sowie den Harvey Preis und im Jahr 2000 den erstmals
vergebenen Europäischen Preis für Kristallografie. Sie ist Mitglied der Nationalen Akademie
der Wissenschaften in den USA, der Israelischen Akademie der Wissenschaften und
Geisteswissenschaften, der Europäischen Akademie der Wissenschaften sowie Mitglied der
Europäischen Molekularbiologischen Organisation (EMBO). Darüber hinaus ist sie
Mitherausgeberin verschiedener wissenschaftlicher Zeitschriften, darunter des EMBO
Journals.
Kurzbiographie Harry Noller
Prof. Dr. Harry Noller wurde am 10. Juni 1939 in Oakland, Kalifornien, USA geboren. Er
studierte Biochemie an der Universität von Kalifornien in Berkeley, USA, und promovierte in
Chemie an der Universität von Oregon, USA. Nach Forschungsaufenthalten in England und
der Schweiz kehrte er in die USA zurück, wo er seit 1968 an der Universität von Kalifornien
in Santa Cruz, USA, arbeitet. Dort leitet Noller das Zentrum für Molekularbiologie der RNA.
Für seine Arbeiten auf dem Gebiet der RNA- und Ribosomernforschung wurde Noller bereits
mehrfach ausgezeichnet, darunter 2004 mit dem Massry-Preis für Ribosomen-Forschung
(gemeinsam mit Ada Yonath), 2003 mit dem Lifetime Achievement Award der RNAGesellschaft und 2002 mit dem Newcomb Cleveland Preis der American Association for the
Advancement of Science. Er ist Mitglied verschiedener wissenschaftlicher
Fachgesellschaften, darunter seit 1992 der Nationalen Akademie der Wissenschaften, USA.